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Grounded Theory: Bedeutung, Zweck, Konzept & Anwendung

Grounded Theory

Was versteht man unter Grounded Theory?

Die Grounded Theory ist eine qualitative Forschungsmethode, bei der Theorien direkt aus erhobenen Daten entwickelt werden. Du beginnst also nicht mit festen Hypothesen, sondern analysierst Daten offen und systematisch. Ziel ist es, neue Erkenntnisse zu gewinnen, die im Material selbst „gegründet“ sind.

Entwickelt wurde die Methode in den 1960er-Jahren von Anselm Strauss und Barney Glaser. Heute wird sie in vielen Disziplinen genutzt, um komplexe soziale Phänomene besser zu verstehen. Wichtig ist der iterative Prozess: Datenerhebung und Auswertung laufen parallel und beeinflussen sich gegenseitig.

Wann eignet sich die Grounded Theory?

Die Grounded Theory ist besonders dann sinnvoll, wenn du ein Forschungsfeld untersuchen möchtest, zu dem es bisher nur wenig Vorwissen gibt. Statt bestehende Theorien zu überprüfen, kannst du mit diesem Ansatz neue entwickeln. In der Soziologie, Psychologie oder Bildungsforschung wird die Methode häufig genutzt, weil sie dir erlaubt, Phänomene offen und flexibel zu erfassen.

Auch in interdisziplinären Feldern wie Technik- oder Gesundheitsforschung ist sie nützlich. Sie hilft, Strukturen und Zusammenhänge zu entdecken, die mit klassischen Forschungsansätzen oft verborgen bleiben.

Konzept der Grounded Theory

Grounded Theory – Studenten überarbeiten Forschung

Das Konzept der Grounded Theory beschreibt einen Forschungsprozess, der in mehreren aufeinander aufbauenden Schritten abläuft. Ziel ist es, aus Daten neue Theorien zu entwickeln, die eng mit der Realität verbunden sind. Dabei folgst du keinem starren Ablauf, sondern einem zirkulären Prozess.

Das bedeutet: Du erhebst Daten, analysierst sie, entwickelst erste Hypothesen und überprüfst diese sofort wieder am vorhandenen Material. So entsteht mit jeder Runde ein tieferes Verständnis. Schritt für Schritt verfeinerst du deine Kategorien und gelangst schließlich zu einer fundierten Theorie, die im Material selbst verankert ist.

Theoretische Vorannahmen

Bei der Grounded Theory verzichtest du bewusst auf feste Hypothesen oder vorgefertigte Modelle. Stattdessen betrachtest du dein Material ohne klare Erwartungshaltung, um neue Konzepte entstehen zu lassen. Diese Offenheit ist wichtig, weil sie dir erlaubt, Phänomene so zu erfassen, wie sie wirklich auftreten.

Gleichzeitig musst du dir deiner eigenen Rolle im Forschungsprozess bewusst sein. Deine persönliche Perspektive kann die Interpretation beeinflussen. Deshalb ist es entscheidend, dass du deine Schritte dokumentierst und deine Entscheidungen transparent machst, damit die Nachvollziehbarkeit gesichert ist.

Datensammlung in der Grounded Theory

Die Datensammlung in der Grounded Theory ist kein einmaliger Schritt, sondern ein fortlaufender Prozess. Du beginnst mit ersten Interviews, Beobachtungen oder Textanalysen und entscheidest dann flexibel, welche weiteren Daten du benötigst. Dieses Vorgehen nennt sich theoretisches Sampling.

Dabei suchst du gezielt nach Fällen, die deine bisherigen Ergebnisse bestätigen oder hinterfragen. Auf diese Weise erhältst du ein vielschichtiges Bild deines Forschungsfelds. Wichtig ist auch die Vielfalt der Datenquellen: Gespräche, Dokumente oder Feldnotizen können kombiniert werden, um ein Thema aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten.

Kodierung

Die Kodierung stellt das Herzstück der Grounded Theory dar und verläuft in mehreren Phasen. Beim offenen Kodieren brichst du deine Daten in kleine Einheiten herunter und ordnest ihnen beschreibende Codes zu. Dadurch entsteht eine erste Struktur.

Im nächsten Schritt, dem axialen Kodieren, legst du Beziehungen zwischen den Codes offen und identifizierst zentrale Kategorien. Beim selektiven Kodieren fokussierst du dich schließlich auf die Kernkategorie, die deine Theorie zusammenhält. Jede Phase verlangt Genauigkeit und Reflexion, da deine späteren Ergebnisse von der Sorgfalt dieser Schritte abhängen.

Darstellung der Ergebnisse

Am Ende deiner Analyse steht die Formulierung einer Theorie, die eng mit deinem Material verknüpft ist. Du beschreibst zentrale Kategorien und erklärst ihre Beziehungen zueinander. Oft hilft es, ein Schaubild oder Modell zu entwickeln, das diese Zusammenhänge veranschaulicht.

Damit deine Ergebnisse nachvollziehbar bleiben, belegst du sie mit Zitaten oder Beispielen aus den Daten. So können andere Forscher deine Vorgehensweise überprüfen und deine Theorie auf eigene Fragestellungen anwenden. Eine klare und strukturierte Darstellung erhöht die wissenschaftliche Relevanz deiner Arbeit.

Theoretische Sättigung

Von theoretischer Sättigung spricht man, wenn zusätzliche Daten keine neuen Erkenntnisse mehr liefern. Deine Kategorien sind dann so umfassend entwickelt, dass weitere Informationen nur Wiederholungen bringen. Dieser Punkt zeigt an, dass deine Theorie ausreichend gefestigt ist, um veröffentlicht zu werden.

Wichtig ist, die Entscheidung für die Beendigung der Datensammlung sorgfältig zu begründen und transparent darzustellen. So wird deutlich, dass deine Ergebnisse nicht zufällig entstanden sind, sondern auf einer fundierten Analyse basieren.

Anwendung und Einsatzfelder der Grounded Theory

Die Grounded Theory wird in vielen Bereichen genutzt. In der Soziologie untersucht man damit soziale Prozesse und Interaktionen. In der Psychologie hilft sie, Erleben und Verhalten besser zu verstehen. Auch in der Bildungsforschung, Gesundheitswissenschaft oder Informatik findet sie Anwendung.

Besonders nützlich ist die Methode bei offenen Fragestellungen, wenn du ein Thema ohne feste Erwartungen erforschen möchtest. Sie ermöglicht dir, praxisnahe Theorien zu entwickeln, die direkt an der Realität orientiert sind.

Herausforderungen und Grenzen der Grounded Theory

Die Grounded Theory ist zwar flexibel, bringt aber auch einige Herausforderungen mit sich. Der Forschungsprozess ist sehr zeitintensiv, da Kodierung, Sampling und Analyse mehrfach durchlaufen werden. Außerdem erfordert die Methode viel Reflexion, weil deine eigene Perspektive den Prozess beeinflusst.

Eine weitere Grenze liegt darin, dass nicht jede qualitative Studie automatisch eine Grounded Theory ist. Nur wenn du die Prinzipien konsequent anwendest, entwickelst du eine belastbare Theorie. Deshalb sind sorgfältige Dokumentation und Transparenz unverzichtbar.

Fazit: So arbeitest du mit der Grounded Theory

Die Grounded Theory ist eine Methode, mit der du systematisch neue Theorien aus Daten entwickeln kannst. Sie ist besonders geeignet, wenn du ein Thema ohne feste Vorannahmen untersuchen möchtest. Wichtig ist, dass du den iterativen Prozess ernst nimmst und deine Arbeitsschritte genau dokumentierst.

Sammle Daten, kodiere gründlich und überprüfe deine Ergebnisse immer wieder am Material. So entsteht eine Theorie, die nah an der Realität ist und wertvolle Einblicke liefert. Mit Geduld und Struktur kannst du die Grounded Theory erfolgreich in deiner Forschung einsetzen.

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Bildnachweis: „Grounded Theory“ ©Jose Calsina – stock.adobe.com; „Grounded Theory – Studenten überarbeiten Forschung“ ©LIGHTFIELD STUDIOS – stock.adobe.com